In der eleganten Einkaufsmeile Via Montenapoleone in der Mailänder City flanieren Stars und Sternchen, oft und gerne wie Paradiesvögel gestylt. Eine dunkelhaarige Dame mit großer Sonnenbrille und im blauen Blazer, die dort vor wenigen Tagen einen riesigen blau-gelben Papagei auf der Schulter spazieren trug, wäre daher nicht weiter aufgefallen, wenn sie nicht als die „schwarze Witwe” in die Annalen italienischer Kriminalgeschichte eingegangen wäre: Patrizia Reggiani, Witwe des Gucci-Erben Maurizio, der vor 19 Jahren im Kugelhagel auf der Straße starb. Die Signora hatte den Mord in Auftrag gegeben. Nur 16 der 26 Jahre, zu denen sie dafür verurteilt worden war, hat „Lady Gucci” allerdings im Gefängnis verbracht. Nun soll sie den Rest mit Sozialdiensten abtragen. Schon im Herbst 2013 wurde sie aus der Haft entlassen, wartet seitdem auf die Entscheidung, wo und wann sieantreten soll.

„Ich kann es nicht erwarten, als Freiwillige karitative Arbeit zu leisten”, hat die heute 65-jährige Reggiani erst kürzlich Reporter wissen lassen. Die Jahre in der Haft seien „verflogen”, sie habe viel „gelesen, gestickt und Gartenarbeit gemacht”. Sie sei fit, fühle sich „gut und jung”.

Weniger gut dürfte Patrizia Reggiani sich Mitte der 90er-Jahre gefühlt haben. Rachegelüste soll sie damals gegen ihren ehemaligen Ehemann Maurizio Gucci. Neid habe sie bei der Entscheidung getrieben, den Mord an ihm in Auftrag zu geben. Heute will sie nichts mehr davon wissen: „Ich bin nicht schuldig”, erklärte sie jetzt noch einmal. Und ihr Anwalt ließ wissen: „Sie empfindet sich schuldig für die schlechten Kreise, in denen sie verkehrte, die schließlich ihr Leben, das ihrer Kinder und ihrer Familie ruiniert hätten, aber nicht für die Ereignisse.”

Am Morgen des 27. März 1995 war der damals 47-jährige Maurizio Gucci vor seinem Büro in der eleganten Via Palestro in Mailands Innenstadt erschossen worden. Er war zu Fuß aus seiner Wohnung herübergekommen, bemerkte den Killer nicht, der kurz darauf drei Schüsse auf ihn abfeuerte. Es war, als habe er keine Ahnung, keinen Verdacht gehabt. „Er dreht sich noch um und schaute seinen Mörder an”, sagte später der Pförtner aus, der ebenfalls verletzt worden war.

In Italien hatte sie schnell den Spitznamen „Liz Taylor” weg. Tatsächlich ähnelt Patrizia mit ihrem Hang zu Schmuck, auffälligen Kleidern, dem prächtigen dunkle Haarschopf, aber auch mit ihren Launen der Hollywood-Diva. Eine endlose Schlacht um Geld und Privilegien. Auch bei Gucci will sie an die Kommandobrücke, beeinflusst viele Entscheidungen von Maurizio. Doch das Fazit, das sie später zieht, ist bitter: „Mein Mann ist als Manager nicht fähig. Er macht das Familienimperium kaputt”, erklärt sie. „Ich wollte ihn zu einem echten Mann machen, aber es ist mir nicht gelungen.” Tatsächlich verkauft Maurizio Gucci seine Firmenanteile in den 90er-Jahren.

Doch schon Mitte der 80er ist es zwischen den beiden aus, die Ehe bald kaputt, es folgt ein Rosenkrieg, eine endlose Schlacht um Geld und Privilegien. Maurizio Gucci hat eine neue Lebenspartnerin, die Mailänderin Paola Franchi. Patrizia Reggiani bleibt allein und verbittert zurück, erkrankt an einem Hirntumor. Angeblich will ihr Ex-Mann Maurizio sie daraufhin sogar für unzurechnungsfähig erklären lassen.

Falsche Freunde halten Einzug in das Leben der „schwarzen Lady”: Sie lässt sich auf die Zauberin Pina Auriemma ein, die sie in dem Plan, ihren Mann zu ermorden, gestärkt haben soll. „Ich weiß, dass Sie mich wegen des Mordes an meinem Mann festnehmen wollen”, sagte die Verdächtige den Carabinieri, als sie sie an der Tür ihrer Wohnung empfing und ließ sich widerstandslos abführen. Ihre Schuld hat sie nie zugegeben, aber einmal gesagt: „Mit einem Gucci verheiratet zu sein ist schlimmer, als täglich bei den Borgia zu speisen.”

Nun darf sie möglicherweise mit den Armen speisen. Die „schwarze Witwe” hatte einen Wunsch, den sie dem zuständigen Gericht für die Zulassung zum Sozialdienst eingereicht hat: Sie möchte bei der Caritas arbeiten.

 

adaptiert von Die Welt


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